Transitland voller Ausnahmekünstler*innen

Im bevölkerungsreichsten spanischsprachigen Land der Welt, das fast die gesamte Südhälfte Nordamerikas einnimmt, hat sich als unmittelbarer Nachbar der USA zu einem Bollwerk und Sprachrohr der hispanoamerikanischen Kultur entwickelt. Die Kehrseite der Medaille: In dieser Nachbarschaft haben sich akute politische und soziale Konflikte entwickelt. Mexiko blickt auf eine Jahrhunderte alte und ausgesprochen wechselhafte Geschichte zurück: von den Hochkultur der Azteken und Maya in der präkolumbianischen Ära über die Eroberung durch den spanischen Konquistador Hernán Cortés im 16. Jahrhundert, die folgenden Jahrhunderte der Kolonialzeit über die   Unabhängigkeit 1821 bis zur Bundesrepublik, die heute Platz 15 unter den Volkswirtschaften der Welt einnimmt.

Dieses Land der Musik (Mariachi, Rancheras, Corridos, Norteñas etc.) und der Rituale, die die Welt faszinieren, wie z. B. die Feier des Dia de Muertos (Tag der Toten), hat auch eine von Kriegen und Konflikten geprägte Geschichte erlebt. Das Regime von General Porfirio Díaz (1877-1888/90 und 1890-1908), das von wirtschaftlicher Entwicklung, aber auch von Ungleichheit und Unterdrückung geprägt war, sowie die mexikanische Revolution (1910-1920) sind Meilensteine der modernen Geschichte des Landes. Während sich in Europa der Faschismus ausbreitete, wurde Mexiko zu einem bedeutenden Exilland, das insbesondere zwischen 1940 und 1970 eine Phase enormer wirtschaftlicher Prosperität erlebte.

Heute ist Mexiko einerseits mit dem immer noch aggressiven einwanderer- und fremdenfeindlichen Diskurs der Trump-Anhänger in den Vereinigten Staaten konfrontiert, während die Zahl der Flüchtlinge aus Mittel- und Südamerika, die das Land in Richtung USA durchqueren, einen neuen Höchststand erreicht hat. Die Vereinten Nationen schätzen, dass zwischen Januar und August 2023 mehr als 330.000 Menschen den Tapón del Darién überquert haben. Es sind die tiefgreifenden wirtschaftlichen Krisen und die Drogenkriminalität, die viele lateinamerikanische Länder erleben und zur Massenflucht gen Norden führen. 

Ende 2018 wurde der populistische Politiker Andrés Manuel López Obrador Präsident, der gerne die Aufmerksamkeit der Presse und der Öffentlichkeit mit einem vielfältigen Repertoire an Extravaganzen auf sich zieht. Weniger als ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit ist es ihm nicht gelungen, Lösungen für die Korruption und die Drogengewalt zu finden, die das Land weiterhin plagen.

Aber es ist nicht alles düster. Mexikos Küche, seine Rituale und Feste sind in der ganzen Welt beliebt. Die Zahl mexikanischer Ausnahmekünstler ist zu groß, um ihr wirklich gerecht zu werden: von der großen Kolonialdichterin Sor Juana Inés de la Cruz bis zum Nobelpreisträger Octavio Paz und weiteren großartigen Autor*innen wie Juan Rulfo, Laura Esquivel, Elena Poniatowska, Jorge Volpi und anderen. Es gibt legendäre Maler*innen wie Frida Kahlo und Diego Rivera. Und eine Filmtradition, die bis zum goldenen Zeitalter (1936-1959) von Diven wie Dolores del Río und María Félix zurückreicht und die in unseren Tagen mit internationalen Erfolgen von Regisseuren und Schauspielern wie Guillermo del Toro, Alfonso Cuarón, Alejandro González Iñárritu, Gael García Bernal und anderen wieder an Kraft gewonnen hat. Aber nicht nur die Hochkultur, sondern auch mexikanische Pop- und Fernsehformate haben einen enormen Einfluss auf die gesamte spanischsprachige Welt, von ikonischen Serien wie “El Chavo del Ocho” bis hin zu Bands wie Timbiriche oder Sängern wie Luis Miguel, die in das kollektive Gedächtnis eines ganzen Kontinents eingegangen sind.