Was die Presse sagt

Pressespiegel zu "Hamlet"

“Hamlet” ist ein Fass ohne Boden. Es ist den Regisseuren möglich, sich immer wieder dem Unglück des Dänenprinzen zuzuwenden, weil sich in jeder Zeile eine unerwartete Bedeutungsebene auftut. Und das nicht nur im “Sein oder Nichtsein”-Monolog, obwohl dies auch einer der Schlüssel für Chela de Ferraris Inszenierung ist, die das Stück Menschen mit kognitiven Behinderungen besetzt hat. Die Darsteller mit Down-Syndrom machen ihre Anwesenheit auf der Bühne zu einem Akt der Bekenntnis zur Vielfalt der menschlichen Spezies. Erste Warnung: Hier ist es das Publikum, der sich an eine andere Art zu sprechen, sich zu bewegen und Zeit verstreichen zu lassen gewöhnt. Die Dinge sind von Anfang an klar. Bei dieser Begegnung gibt es keinen Platz für Verlegenheit oder Unbehagen.

Juan Carlos Olivares, Recomana

Was die Kuratoren sagen

Sein oder Nichtssein

Wie der Dänenprinz ist er fasziniert von Schauspieler*innen, die mit ihrem Gesicht eine Geschichte erzählen und mit der Stimme Emotionen modulieren können. Bislang arbeitet er allerdings „nur“ als Platzanweiser in einem Theater in Lima und weiß nicht, dass die Theaterleiterin Chela de Ferrari einen Hauptdarsteller für die berühmteste Tragödie der Theaterliteratur sucht. Etwas später ist Jaime Cruz aber schon der Protagonist einer Hamlet-Inszenierung, die Perus bekannteste Regisseurin zusammen mit Laiendarsteller*innen erfunden hat, die von sich und davon erzählen, wie das ist, wenn man auffällt und nicht wirklich dazu gehört. Das mit dem Sein oder Nichtsein ist für Menschen mit Trisomie 21 nicht nur eine dramatische Floskel, sondern eng damit verknüpft, ob andere Menschen sie so respektieren, wie sie sind.

Kritik

Glotz nicht so neurotypisch

von Georg Kasch

Heidelberg, 7. Februar 2024. Sein oder Nichtsein? Einmal müht sich Jaime Cruz auf einem kleinen Treppchen ab, das überlebensgroße Vorbild Laurence Olivier hinter sich auf der Leinwand zu kopieren: starrer Blick in die Ferne, merkwürdige Körperhaltung, unterkühlter Klassizismus in der Stimme. Da kommt sein Kollege Álvaro Toledo: Hör auf, andere zu kopieren; mach dein eigenes Ding! Jetzt lotet Cruz den Text dieses vermutlich berühmtesten Monologs der Weltliteratur aus, die anderen stimmen ein, übernehmen einzelne Sätze, schmecken ihnen nach, hören genau hin. Wenn Hamlet die Mühsale des Lebens aufzählt, heißt es hier: Beleidigungen, Liebeskummer, unsere fehlenden Rechte… Und schon denkt man an die rechtlich oft schwierige, weil erniedrigende Lage von Menschen mit Behinderung, haben die Spieler:innen sich diesen Text anverwandelt, ins Heute geholt.