Weitgehend incontada

von Janis El-Bira

Heidelberg, 19. Februar 2017. Die Kunst weiß immer mehr als der Künstler - vor allem, wenn er müde ist. Letzteres ist nach sieben Festivaltagen, etlichen Vorstellungen, Publikumsgesprächen und wahrscheinlich auch der einen oder anderen kurzen Nacht nur zu verständlich. Aber erklärt das auch die beinahe zweistündige Sammlung von Gemeinplätzen, die sich am Samstagnachmittag unter dem Titel "Politisch. Sprachmächtig. Visionär - Theatermachen in Lateinamerika" als Podiumsdiskussion getarnt hatte? Man möchte es milde hoffen.

Aus dem Universalsetzkasten für Künstlerinterviews

Geladen hatte das Deutsche Zentrum des Internationalen Theaterinstituts. Gekommen waren der Heidelberger Intendant Holger Schultze, dem dieses wunderbare Festival ganz wesentlich zu verdanken ist, Carmen Romero, Direktorin des Festival Santiago a Mil, Rolf Eugenio Abderhalden, dessen kolumbianisches Mapa Teatro mit "Los incontados" ("Die Nichterzählten") fraglos einen der Höhepunkte im Programm geliefert hatte, und Omar Valiño, kubanischer Journalist und Theaterwissenschaftler. Außerdem die moderierende Journalistin Eva Karnofsky sowie zwei Übersetzerinnen, die hinsichtlich Tempo und Wiedergabe rundweg Bewundernswertes leisteten.

Über Theater gesprochen wurde nach länglichen Ein- und Hinleitungen, Vorstellungs- und Danksagungsrunden dann irgendwann auch, zumindest grob. Teppichausrollende Plattformfragen ("Was sind denn so die großen Themen in Kolumbien?") wurden mit ebenso freundlichen Antworten aus dem Universalsetzkasten für Künstlerinterviews weggebügelt: Klar, Drogenhandel, Paramilitärs und deren Konflikte mit dem Staat mögen bedeutend sein, aber entscheidend sind die ewigen Angelegenheiten - Liebe, Tod, Freundschaft, Sinn des Lebens. Wussten wir's doch.

Was ist mit der Telenovela-Ästhetik?

Und so dauerte es gut eine Stunde, bis es dann doch mal eine Spur konkreter wurde. Rolf Abderhalden berichtete vom Ursprung des Mapa Teatro auf den Ruinen eines Armenviertels von Bogotá, während Omar Valiño und Carmen Romero die staatlichen beziehungsweise vorwiegend privatwirtschaftlichen Theaterförderungen in Kuba respektive Chile konstrastierten. Aber was hätte man hier nicht noch alles fragen können? Zum Beispiel nach den Schlagworten aus dem Veranstaltungstitel. "Sprachmächtig": Was hat es auf sich mit der Dominanz des Dialogischen, dem streng Geskripteten, den klaren Erzählungen von A nach B und dem Sich-Erklärenwollen, dem Deutlichmachen? Und wie ist das mit der Telenovela-Ästhetik, die so viele der Inszenierungen geprägt hat? Überhaupt: Bühnensprachen, Mittel, Arbeitsweisen? All das blieb an diesem Nachmittag weitgehend "incontada" - nichterzählt.