Diskussion

Weitgehend incontada

von Janis El-Bira

Heidelberg, 19. Februar 2017. Die Kunst weiß immer mehr als der Künstler - vor allem, wenn er müde ist. Letzteres ist nach sieben Festivaltagen, etlichen Vorstellungen, Publikumsgesprächen und wahrscheinlich auch der einen oder anderen kurzen Nacht nur zu verständlich. Aber erklärt das auch die beinahe zweistündige Sammlung von Gemeinplätzen, die sich am Samstagnachmittag unter dem Titel "Politisch. Sprachmächtig. Visionär - Theatermachen in Lateinamerika" als Podiumsdiskussion getarnt hatte? Man möchte es milde hoffen.

Diskussion

Ein Erbe der Kolonisationsgeschichte?

von Janis El-Bira und Georg Kasch

17. Februar 2017. Neun von insgesamt dreizehn Inszenierungen aus sieben Ländern sind bei ¡Adelante! inzwischen über die vier Bühnen des Heidelberger Theaters gegangen. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Georg Kasch und Janis El-Bira haben sich dafür per Chat ausgetauscht.

Resolution

Wir müssen Widerstand leisten

Resolution der aus elf Ländern stammenden Teilnehmer*innen des iberoamerikanischen Festivals ¡Adelante! am Theater und Orchester Heidelberg

Heidelberg, 18. Februar 2017. Wenn das Fundament demokratischer Werte ins Schwanken gerät, braucht es deutliche Stellungnahmen für die Notwendigkeit einer offenen Gesellschaft. Die jüngsten politischen Entwicklungen weltweit sind angesichts globaler Migrationsbewegungen geprägt von Feindseligkeiten und In-Fragestellung demokratischer Grundwerte.

Interview

Theatermachen als Notwendigkeit

von Janis El-Bira und Georg Kasch

Jedes Festival braucht jemanden, der die Auswahl trifft. Bei ¡Adelante! waren das neben den künstlerischen Leitern Holger Schultze und Lene Grösch die beiden Kuratoren Ilona Goyeneche und Jürgen Berger. Ein Gespräch über Auswahlkriterien, transatlantische Unterschiede und politisches Theater.

Ilona, Jürgen, wie seid ihr bei der Auswahl vorgegangen? Ihr habt ja wahrscheinlich nicht den ganzen Kontinent bereist und alles angeschaut, was es zu sehen gab...

Ilona Goyeneche: Am Anfang haben wir eine Art Mapping gemacht und eine Gesamtrecherche angestellt. Wir hatten schon einige Inszenierungen gesehen, jeder hatte ja einen Landesschwerpunkt. Außerdem haben wir mit Menschen gesprochen, von denen wir wussten, dass sie einen guten Einblick in verschiedenen Ländern und Szenen haben.

Jürgen Berger: Um ein Beispiel herauszugreifen: Einer meiner Schwerpunkte war Kuba. Ich war in den letzten Jahren häufiger dort, hatte also einen ganz guten Überblick. Aber es gibt natürlich Menschen, die man fragen konnte, was sich jenseits von Havanna ereignet. Außerdem diskutiert man auf Festivals und anderen Veranstaltungen permanent über Theater. Da hatten unsere Ansprechpartner ein gutes Gespür für das, wonach wir Kuratoren Ausschau halten könnten.

Essay

Armut als Ware

von Federico Irazábal

Simón Bolivar hatte einen Traum – ein "Patria Grande" zu schaffen, ein großes Vaterland. Was die Welt heute unter "Lateinamerika", "Hispanoamerika" oder "Iberoamerika" versteht, ist allerdings weit davon entfernt – zusammengewürfelt aus vielfältigen Fragmenten, die sich weder als stabile Einheit fassen lassen noch sich in jeder einzelnen dieser einzigartigen Kulturen wiederfinden, aus denen sich das lateinamerikanische Gebiet zusammensetzt. Auch wenn wir generell dazu neigen, uns als feste Einheit zu betrachten, zwingen uns die Besonderheiten jedes einzelnen Landes dazu, genau zu differenzieren. Wir sind keine Einheit, weder in politischer, wirtschaftlicher noch kultureller Hinsicht.

Die meisten lateinamerikanischen Länder sind durch ihre gemeinsamen sprachlichen Wurzeln verbunden. Hier entspringt das "hispanoamericano"; daneben gibt es wenig mehr als das. Diese Identifikation über die spanische Sprache, die Latino-Kultur und die geographische Lage im Süden des amerikanischen Kontinents mag eine Denkfigur sein, mit der wir uns von außen betrachten. Sie entspricht jedoch nicht der Art, wie wir uns selbst sehen. Natürlich haben wir gemeinsame Eigenschaften, die uns durch unsere Geschichte einen: Wir sind relativ junge Nationen (ungefähr 200 Jahre alt). Die Geschichte, die uns prägt, reicht nicht mehr als 500 Jahre zurück. Um diese Zäsur allerdings setzen zu können, müssen wir diesen anderen Teil in uns verleugnen: die Ureinwohner, die Einheimischen, das sogenannte Präkolumbianische.